33 Umdrehungen

Bekannte, vergessene und fragwürdige Hits aus dem Jahre 1933

präsentiert von den BARDOMANIACS

33-klein

Franziska Kollinger: Texte, Musikwissenschaftliche Beratung
Joachim Mohr: Szenische Beratung
Matti Groszer: Grafische Gestaltung

Als die Nationalsozialisten in Deutschland die Regierungsgewalt übernahmen, hatte sich der Schlager der zwanziger Jahre längst verabschiedet: Sozialkritische Texte, mit denen die Musik auf Inflation und allgemeine Verunsicherung reagierte, heitere Nonsens-Lieder oder Gassenhauer, in denen Adriennes Hochantenne oder Josefines Badekabine besungen wurde, wichen mit Ausbruch der Wirtschaftskrise zunehmend sentimental-romantischen Tönen, die halfen, eine Unterhaltungsmusik zu etablieren, die der grauen Realität des Alltags entgegen gestellt war. Die volkstümliche „weiche Welle“ begünstigte die nationalsozialistische „Gleichschaltung“ auch auf dem Sektor der Unterhaltungsmusik. Der Übergang zum Tonfilm im Jahr 1929 sorgte dafür, dass das von Operetten und Revueschlagern dominierte Schlagerpanorama mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt wurde. Die Schlager der Spielfilme wurden zu Evergreens, und deren Interpreten zu international gefeierten Stars. Die Liste der Vertriebenen ist lang und liest sich wie das große „Who is Who“ der deutschen Unterhaltungsbranche. Die großen Revue-, Operetten und Schlagerkomponisten der 1920er und frühen 1930er Jahre wie Friedrich Hollaender („Wenn ich mir was wünschen dürfte“), Werner Richard Heymann („Liebling, mein Herz lässt Dich grüßen“), Bronislav Kaper („Mein Gorilla hat’ ne Villa im Zoo“), Walter Jurmann („Veronika der Lenz ist da“) und auch Hanns Eisler („Roter Wedding“) flohen – über Umwege oder direkt – nach Amerika. Der Schönberg-Schüler Allan Gray („Flieger, grüß mir die Sonne“), emigrierte nach Großbritannien. Willy Rosen („Venezuela“) wurde in Auschwitz umgebracht. Das musikalische Repertoire wurde nach der Machtergreifung nicht etwa über Nacht ausgetauscht, vielmehr wurde es dem neuen Zeitgeist und Ziel angepasst: Die ,Neuen’ taten, was lebendige Volksliedkultur schon immer auszeichnete: umschreiben, aneignen, neu arrangieren. Da kaum jemand der „alten“ Stars mehr zur Verfügung stand, rekrutierten die Nazis ihre neuen Talente aus der Reihe der Assistenten und Schüler jener großen Köpfe. Peter Kreuder oder Theo Mackeben feierten posthum Welterfolge und trafen stets den rechten Ton in der Unterhaltungsmaschinerie der Nationalsozialisten.              (Franziska Kollinger)

33 Umdrehungen – Programm

Drei Grazien

Flieger, grüß’ mir die Sonne
Allan Gray (1932)
Aus dem Film F.P.1 antwortet nicht
Schönberg-Schüler Gray emigrierte 1933 nach Großbritannien

Night and Day – Tag und Nacht
Cole Porter (1932) – Comedian Harmonists (1933)
Aus dem Musical Gay Divorce
Die Comedian Harmonists lösten sich 1935 auf;
drei der sechs Mitglieder flohen ins Ausland

Mein Gorilla hat ‘ne Villa im Zoo
Bronislav Kaper & Walter Jurmann (1933)
Aus dem Film Heut kommt’s drauf an (Das goldene Saxophon)
Jurmann und Kaper flohen 1933 nach Amerika

Venezuela
Willy Rosen (1930)
Rosen wurde 1944 in Auschwitz ermordet

Liebling, mein Herz lässt Dich grüßen
Werner Richard Heymann (1930)
Aus dem Film Die drei von der Tankstelle
Heymann emigrierte 1933 über Frankreich nach Amerika und kehrte 1951 nach Deutschland zurück

Roter Wedding
Hanns Eisler (1929)
Eisler lebte bis 1949 im Exil, danach in Ostberlin

Wenn ich mir was wünschen dürfte
Friedrich Hollaender (1931)
Aus dem Film Der Mann der seinen Mörder sucht
Hollaender emigrierte 1933 in die USA und kehrte
1955 nach Deutschland zurück

Charles Ton

Goodbye Johnny
Peter Kreuder (1939)
Aus dem Film Wasser für Canitoga

Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da
Theo Mackeben (1938)
Aus dem Film Tanz auf dem Vulkan